Thomas und ich waren am Samstag, dem letzten Messetag auf der AERO in Friedrichshafen. Eine sehr empfehlenswerte Veranstaltung nicht nur für Piloten und Flugschüler sondern Luftfahrtbegeisterte aller Art. In diesem Beitrag möchte ich meine Erfahrungen erläutern und erzählen, was interessantes auf der Aero zu sehen war.
Vorweg möchte ich anmerken, dass dieser Bericht meine subjektive Wahrnehmung wiedergibt. Ich bin mir sicher dass in vielerlei Hinsicht jede Meinung legitim ist – auch wenn sie sich von meiner eigenen Unterscheidet. Ich war zum ersten Mal auf der Aero, kann also auf keine vorherigen Erfahrungen zurückblicken. Für diejenigen Leser unter euch, die von der Aero vorher noch nichts gehört haben sei eine Erklärung vorangestellt.
Die jährlich stattfindende Aero Expo in Friedrichshafen ist die größte Luftfahrtmesse im Europäischen Raum. Hersteller von Flugzeugen und Avionik aus der ganzen Welt versammeln sich um an vier Messetagen neue Produkte, Konzepte und Modelle vorzustellen und zu präsentieren. Alle zwei Jahre – so auch 2019 – wird dabei auch eine gesamte Messehalle für Segelflugzeuge zur Verfügung gestellt. Spätestens damit sollten alle Fliegerherzen bedient sein, so die Erwartung.
Elektromobilität
Heiß diskutiert in der Automobilindustrie findet sich die Debatte um Elektromobilität inzwischen auch im Flugwesen wieder. Dass wichtige Elemente der Gegenargumente zu E-Autos schon strukturell nicht auf die Fliegerei anwendbar sind liegt auf der Hand: Beispielsweise die im Straßenverkehr noch nicht ausreichend verteilten Ladestationen ist eine Thematik, die in der Diskussion um Elektromobilität sehr häufig zur Aussprache kommt. In der Fliegerei ist dem schon von Natur aus Abhilfe geschaffen:
Anders als im Straßenverkehr gibt es im Deutschenflugwesen feste Knotenpunkte an welchen Alle Flugzeuge halt machen. An Flugplätzen. Es gibt wesentlich weniger Flugplatz-Tankstellen als Auto-Tankstellen geschweigedenn als Auto-Parkplätze – Tankstellen und Parkplätze mit Ladestationen auszurüsten ist also ein wesentlich größeres Unterfangen als das Aufrüsten der Flugplätze. Strukturell gesehen ist es also durchaus sinnvoll darüber zu debattieren.
Die Angaben der Hersteller erfüllen dabei auch viele Erwartungen. Demnach seien 3-4h Flugzeit bei 200km/h durchaus realistisch was auf der einen Seite natürlich eine beachtliche Reichweite suggeriert, aber auch ganz bewusst eine souveräne Haltung transportieren soll. Die E-Mobilität für Flugzeuge wird uns sicherlich noch eine Weile begleiten.
Besonders vielversprechend fand ich Modelle wie die SONG. Ein 120kg UL-Motorsegler. Das soll man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Und in der Tat die Vorstellung Thermikflüge mit Motorunterstützung zu vollführen ist sehr verlockend – besonders wenn man zuvor nur Luftsportgeräte wie die C22 und dessen Nachfolger kennt, welche beide – freundlich ausgedrückt – nicht unbedingt wegen ihrer bahnbrechenden Aerodynamik bekannt geworden sind. Die Kombination aus Segel- und Motorflug lässt einen von unaussprechlich langen Flügen träumen – die überdies auch noch angenehm ruhig sein sollten, sobald man den Propeller zum schweigen bringt.
Ich würde durchaus sagen, dass Kombinationen aus Ultraleichtbau, Segelflugbau und Elektroantrieben ein zukunftsweisendes Konzept darstellen können und wahrscheinlich auch werden. Der Markt ist ebenso vorhanden wie die Mittel. Nur teilt leider ein Großteil der Flugzeuge auf dieser Messe eine fatale Mentalität: Das Preisniveau
Hybride Antriebstechnologie
Comco Ikarus sorgte mit einem sehr interessanten Konzept für Aufsehen, welches ich in der Form zuvor noch nicht bei einem Flugzeug gesehen habe: Ein Hybridflugzeug. Elektro- und Verbrennungsmotor in einem Luftsprotgerät. Die Vorteile liegen auf der Hand, sind sie eben identisch mit den Vorteilen der hybriden Automobilität. Jedoch muss man nicht lang überlegen um zu merken, dass an dieser Stelle die zusätzliche Masse vermutich ein großer Minuspunkt sein sollte
Dennoch: Comco Ikarus gehört zu den Marktführern auf dem Ultraleichtflugzeug Markt. Wenn sich ein Flugzeughersteller solche Experimente leisten kann und sichere auch sollte, dann diese. Auch wenn oft über die C42 und die C22 hergezogen wird: Irgendwas scheint Comco in den letzten Jahren extrem richtig zu machen.
Hauptsache es blinkt.
Ein nicht zu missachtender Teil von (Ultraleicht-) Piloten haben den Anspruch mit ihren Fluggeräten einen gewissen Lebensstandart nach außen zu präsentieren. Waren die Ultraleichtflugzeuge einst die Fliegenden Gartenstühle so haben sie heute zunehmend den Anspruch ein fliegender Ledersessel zu sein – mit elektrisch verstellbarer Rückenlehne und Massagefunktion – in einem geschlossenen Cockpit mit einer Spitzengeschwindigkeit die dem dreifachen der einstigen Reisegeschwindigkeit entspricht. Das ist eben der Sport daran, könnte man spöttisch meinen: Citius, Altius, Fortius. Das betrifft auch den Luftsport.
Doch diese fortwährende Steigerung des Bedarfs nach mehr Luxus, nach mehr Bling Bling, resultiert darin, dass die Konnotation des Wortes »Luftsportgerät« fernab von jedem Verdacht der Absurdität als analog zum Wort »Sportwagen« gesehen werden kann. Der sportliche Anteil mag inzwischen der selbe sein.
Auf der AERO fällt auf, dass sich besonders die italienischen Hersteller darauf fokussiert haben, das eleganteste, gutaussehendste und vor allem flugzeugigste Luftsportgerät bauen zu wollen. Das natürlich in einer Preisdimension die vollkommen fern meiner Realität liegt. Die italienische Konstruktion die mir hierbei am Meisten in der Erinnerung hängenblieb war die »Innovaviation FX 1« die aussieht wie ein müßiger Versuch, eine C22 optisch aufzupeppen. Dass dabei durch das Verkleiden des Motorblocks auch die Aerodynamik um einiges verbessert wurde ist vermutlich zweitrangig gewesen.
Hauptsache es sieht kompliziert aus.
Ein weiterer Anspruch, den viele Piloten und potentielle Flugzeugkäufer zunehmend erheben zu scheinen ist jener, das Fliegen so kompliziert wie möglich aussehen zu lassen, ja vielleicht gar wie Hexenwerk! Liebe Leser, wenn ich euch jetzt enttäusche, dann tut mir das sehr Leid. Aber: Fliegen ist leicht und anspruchslos (was man üben muss ist Landen) Es scheint zunehmend Mode zu sein, sein Flugzeug mit unnötig komplizierten Knöpfen, Schaltern und Geräten auszustatten sodass mir keine andere Erklärung einfällt als dass auch diese Tendenz allein dafür gedacht ist, Fußgängern zu imponieren. Fußgänger, die mal mitfliegen und erstaunt zusehen, während der stolze Pilot im Glaskockpit die Sicherungen für die Vergaser-Innenbeleuchtung einschaltet.
Im Bereich der Ultraleichtfliegerei ist ein wortwörtliches Überladen des Instrumentenbrettes allerdings nie eine gute Idee. Denn jedes Instrument mindert die maximale Zuladung. Nun gibt es zweifelsfrei Instrumente, die man durchaus zum sicheren Betreiben eines Flugzeuges braucht (Höhenmesser, Fahrtmesser und dergleichen) Wenn man aber in einem Ultraleichtflugzeug, welches wohlgemerkt lediglich dann geflogen werden darf, wenn man den Boden sieht – also bei Tageslicht und unter der Wolkendecke – einen künstlichen Horizont einbaut, hat man irgendetwas nicht ganz verstanden. Zumal man sich in diesem Fall sogar in Gefahr bringen kann.
Denn wer sich solche Instrumente einbaut, wird stets mit der Versuchung fliegen, sie auch zu benutzen; begibt sich vielleicht in unkontrollierte Fluglagen und macht in einer dummen Situation dumme Fehler. Fehler, die sich vermeiden ließen, resultierend aus Geräten, die man zum VFR Flug nicht brauch (und nicht brauchen darf) und zudem auch unnötig Gewicht mitbringen. Nichts was ich gutheißen kann.
Der Markt will es so.
Ich selbst habe – auch aufgrund meines bisherigen Kontakts mit der Fliegerei den Anspruch entwickelt, erstens nichts komplizierter zu machen als es ist und zweitens nichts über Wert zu kaufen.
Damit unterscheidet sich mein Interesse jedoch deutlich von dem scheinbaren Interesse der meisten UL-Kollegen. Jedenfalls zeichnen die neuen ULs auf dem Markt ein sehr eindeutiges Bild, in dessen Konsequenz das optische Auftreten der Geräte sehr identisch ist – oder mindestens eine gleiche Richtung weist.
Was das optische angeht, sind verschiedene Meinungen natürlich legitim. Ich kann zudem auch ein Stück weit die Faszination verstehen, wie man mit der Begrenzung von aktuell 472,5kg//600kg Abflugmasse dennoch Fluggeräte entwerfen kann, die optisch und teilweise auch technisch mit den etablierten 2t Echo-Klassen mithalten können. Aus dieser Perspektive betrachtet hat die Aero sogar ein paar Meisterstücke auf den Markt gebracht.
Auch wenn einige gezeigte Konfigurationen nicht meinem ästhetischen Anspruch entsprechen und technisch unnötig ausgerüstet sind liegt die Verantwortung nun letzten Endes beim Kunden: Wer sich ein Flugzeug kauft sollte wissen, mit welchen Spezifikationen selbiges daherkommt – und welche Geräte man eventuell einfach nicht braucht. Die Fähigkeit darüber abzuwägen und stets verantwortungsvoll zu fliegen möchte ich selbstverständlich keinem Absprechen.
Ein Augenschmaus
Die Aero ist definitiv eine Messe bei der einem von Flugzeugen nur so die Augen übergehen können. Denn obgleich ich die Entwicklung zum UL im Echopelz als Prinzip ablehne, so sehr gefällt mir doch der Anblick von Doppeldeckern – ganz gleich ob Echo oder UL, sie sehen einfach gut aus. Wie etwa der Stampe SV4-RS. Ein durchaus ansehnlicher UL-Doppeldeckertandem. Modelle wie diese sind es, die den Flieger träumen lassen, Von Sonnenuntergängen und Motorengeräuschen. Da schaut man auch gern mal ein wenig ungenauer auf den Kaufpreis. Die Schönheit des Flugzeugs lenkt zu sehr ab.
Aber auch in Hinblick auf die 120kg Klasse hinterlassen besonders Modelle wie die SD1 Minisport einen bleibend positiven Eindruck. Sicher, für ein 120kg Flugzeug ist es für mich viel zu früh, und dennoch wird man ja sicher noch träumen dürfen. Die SD1 beweist, dass auch im UL-Flugzeugbau solide Produkte im Bereich der Möglichkeit liegen. Ein Grund zur Freude.
Die Vielzahl der Exponate und die angenehme Messeatmosphäre geben genug Raum und Lust um durch die Hallen zu schlendern, sich einzelne Flugzeuge genau anzusehen und sich mit dem ein oder anderen Standbetreiber zu unterhalten. Thomas und ich waren einen Tag lang dort – wenn man sich vorher keine großen Pläne macht und mit offenen Augen an die Messe herantritt, dann ist ein Tag genau die richtige Zeit für Technik und Flugzeugbegeisterte.
Und sonst so?
In meinem Bericht habe ich mich fast ausschließlich auf den UL-Markt und die dort aufkommenden Technologien und Flugzeuge konzentriert. Doch bietet die Aero noch eine Vielzahl an weiteren Sparten. Vom Drehflügler zum Privatjet gibt es extrem viele Flugzeuge, die lustig, interessant oder einfach nur schön anzusehen waren. In welchem Umfang man sich welchen Bereichen der Fliegerei widmen möchte ist auf der Aero Friedrichshafen jedem selbst übrlassen
Fazit
Inhaltlich bietet die Aero aber auch die Möglichkeit die vollen vier Tage dort zu verbringen – etwa, wenn man sich die Vorträge anhören möchte, oder eine lange Liste an Vorhaben ausgearbeitet hat, die man auf der Aero erledigen möchte. Eine klare Empfehlung für jeden, der sich in der Fliegerei umsehen und neues entdecken möchte!
Schmuel ist seit Juni 2019 frischbackener UL-Pilot. Macht allerdings seit 2017 seine Erfahrungen mit der Fliegerei. Inzwischen hat er bereits ca 150 stolze Flugstunden im Buche stehen.