Nachdem ich vor einigen Wochen von meiner zukünftigen Flugschule in Berlin die finale Bestätigung bekommen habe, dass das Zertifikat von SIAP (Scandinavian Institute for Aviation Psychology) anerkannt wird, ging es am vergangenen Mittwoch zur letzten Hürde: Dem Medical. Stuttgart war mir als eines von vier AeMC in D (neben Köln, Hamburg und Fürstenfeldbruck) bereits vonseiten der Flugschule empfohlen worden und auch in diversen Forenberichten und YouTube-Videos positiv aufgefallen. Für mich ging es deshalb von Dresden, der vermutlich am weitesten von irgendeinem AeMC entfernt gelegenen Halbmillionnenstadt Deutschlands, mit einer Dash 8 von LGW eines Dienstag abends nach Stuttgart, wo ich mich für nur 51€ inkl. Frühstück im Ibis in Filderstadt einquartiert habe. Das Hotel hat von innen auf mich einen sehr seriösen und hochwertigen Eindruck gemacht, auch wenn es von außen zunächst anders erscheint 😉
Vom Hotel ist das AeMC in ingesamt gut 20 Minuten mit der Buslinie 76 bis zum Bahnhof Bernhausen und dort in die Buslinie 812 zum Filder Airport Areal zu erreichen. Am AeMC angekommen bin ich gegen 8.15 Uhr, was sich als genau richtig erwiesen hat. In der Einladungsmail ist von 8.00 bis 8.30 Uhr die Rede; da aber auch andere NFFs geprüft werden und in jedem Test immer nur einer gleichzeitig geprüft werden kann, ist man hinsichtlich des Anfangszeitpunktes offenbar einigermaßen flexibel und muss nicht warten wie man es evtl. von DLR- und IP-BU gewohnt ist.
Los ging es für alle mit dem vielleicht unangenehmsten Teil, der Urinprobe. Zügig hinter sich gebracht ging es für mich zu meiner großen Überraschung mit einem sogenanten “Reaktionstest”, (der meiner Auffassung nach aber eher ein Konzentrationstest war) weiter, wie ich ihn sonst nur aus diversen Assessments kannte: Mit einem Eingabepad (oben/unten/links/rechts) muss die Richtung eines Pfeiles auf dem Bildschirm erkannt und angegeben werden; klingt extrem trivial aber unter Zeitdruck und mit 128 bzw. 256 Aufgaben ist höchste Konzentration gefragt. Die Schwierigkeit wurde in späteren Durchgängen gesteigert, z.B. dahingehend, dass die Richtung des Kreuzes nicht mehr absolut sondern aus der Perspektive eines ebenfalls auf dem Bildschirm erscheinenden Kreuzes beurteilt werden sollte. Alles in allem aber machbar, gutes Gefühl.
Danach ging es mit dem ersten Augentest weiter. In dieser Runde war dreidimensionales Sehen gefragt, ich bekam zunächst die aus diversen Berichten bekannten Balken auf der Uhr und im Anschluss das ebenfalls bekannte Bilderbuch. Meiner Auffassung nach beides absolut machbar, beim Bilderbuch wie vermutlich die meisten bei den letzten zwei kurz gezögert 😉 Ebenfalls musste ich einen sehr kleinen Text vorlesen, dann wurden mir die Ringe mit Loch auf Polyluxfolie gezeigt. Dann die Ishihara-Tafeln zur Rot/Grün-Schwäche, das war meine größte Sorge da ich bei meinem SPL-Medical darauf hingewiesen wurde, dass da was sein könnte. Hatte mir deshalb diesmal die Tafeln vorher im Internet angeschaut und lief einwandfrei ohne einen einziges Zögern geschweige denn Fehler durch, da fiel mir ein Stein vom Herzen! Zum Abschluss gabs nochmal die Ringe mit Loch, aber diesmal stark abgedunkelt durch ein Gerät: Zunächst komplett dunkel, das war schon tricky, aber dann wirst du dabei noch von einer Lampe geblendet. Der letzte Durchgang war mehr raten als wissen, aber es hat offenbar gelangt.
Dann durfte ich einen kurzen Fragebogen zu meiner physischen und psychischen Verfassung, Motivation etc. ausfüllen, nichts was man nicht mittlerweile gewohnt wäre. Auf dem Fragebogen wird später im ärztlichen Gespräch Bezug genommen, also empfehle ich sich schon etwas Gedanken zu machen was man da so ankreuzt.
Auch das EKG ist absolut harmlos, es werden einfach ein paar Sensoren an den Bauch angeschlossen und den Herzzschlag gemessen. Im selben Raum wurde das Lungenvolumen gemessen, da ich längerfristig erkältet war habe ich hier auch eine gewisse Skepsis gehegt und diese auch kommuniziert. Klarer Tipp: Besser vorher sagen, dass sowas auftreten kann, als hinterher versuchen sich rauszureden. Bei mir war die Kurve etwas unregelmäßig, “kleine Huster” wie die Ärztin meinte; das Lungenvolumen war trotz Gelegenheitsrauchen und Erkältung 7-8% über Soll.
Der Test zum Sichtfeld war ebenfalls einer derjenigen, vor denen ich Respekt hatte. Nachdem man sich die Augenklappe aufgesetzt hatte und mit dem anderen Auge in eine etwa medizinballgroße weiße Plastikhalbkugel auf vier projizierte rote Punkte schaute, erschien in der Mitte des von den vier roten Punkten gebildeten Quadrats ein ähnlich großer, milchig-weißer Punkt. Da die Kugel ebenfalls weiß war, war hier der Kontrast zwischen Punkt und Hintergrund relativ tricky. Als mir gesagt wurde, ich dürfe nicht nur meinen Kopf nicht bewegen, sondern auch nirgendwo anders hin schauen als auf die 4 roten Punkte, und der weiße Punkt würde komplett zufällig irgendwo im Sichtfeld erscheinen, fragte ich mich ernsthaft wie ich den erkennen sollte wenn ich ihn selbst in unmittelbarer Umgebung der roten Punkte schon nur mühsam erkennen konnte. Tatsächlich war ich selbst überrascht wie gut genau das letztendlich funktionierte, beim rechten Auge bin ich im ersten Versuch durch und beim linken Auge nach einer (sehr) kurzen Nachuntersuchung.
Beim bereits erwähnten Gespräch mit der Ärztin wurde man wie vom Hausarzt gewohnt abgehört, die bisherigen Ergebnisse und der anfangs ausgefüllte Fragebogen besprochen usw…, die Doktorin war sehr freundlich und hilfsbereit.
Ein kurzer Hörtest ereilt einen ebenfalls, man bekommt Kopfhörer auf und hört einen nacheinander auf verschiedenen Frequenzen stets lauter werdenden Ton. Wenn der Ton erkannt wurde, wird dieser durch Drücken einer Taste stumm gestellt und einige Sekunden später kommt der nächste Ton. Sehr trivial.
Danach das abschließende Gespräch mit dem “senior”-Arzt, der den bereits im Vorfeld ausgefüllten Online-Fragebogen mit dir bespricht und bei mir insbesondere auf die in der Familie liegenden Krankheiten eingegangen ist. Der Herr war signifikant weniger gesprächig als die junge Ärztin, mir trotz seines trockenen Humors sehr sympathisch.
Ganz zum Schluss gabs noch eine Runde Augentest, diesmal die berühmt-berüchtigte Messung des Augeninnendrucks mittels Luftstrahl. Die Reaktionsfähigkeit der Augen wird auf die sehr lapidare Weise getestet, dass der Arzt mit einem Kugelschreiber vor deinen Augen umherfuchtelt den man mit dem Blick verfolgen soll.
Zum Abschluss gings an die Bezahlung, ich verließ Stuttgart an diesem Tag 694,52 € leichter, sowie den Druck und die finale Aushändigung des Medicals. Bilanz: Ein teurer, aber spannender Tag mit kompetenten Ärzten und zukünftigen Kollegen.
Al, 20 Jahre, ist Student in Dresden und zurzeit im Auswahlverfahren für verschiedene Ausbildungsprogramme zum Linienpiloten.